Trotz der hohen Inflationsrate und der gestiegenen Zinsen ist der Wunsch, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen, nach wie vor sehr groß. Unabhängig davon, ob es ein neu erbautes Einfamilienhaus sein soll oder ob ein Haus bzw. eine Eigentumswohnung gekauft werden soll – ein solches Projekt will finanziert werden. Nicht jeder verfügt jedoch über ausreichend Eigenkapital. Müssen Sie sich deswegen von Ihrem Traum verabschieden? Nicht unbedingt. Das eigene Dach über dem Kopf ist auch mit einer Finanzierung ohne Eigenkapital möglich.
Inhaltsverzeichnis
Finanzierung ohne Eigenkapital – ist das möglich?
Grundsätzlich spielt das Eigenkapital eine wesentliche Rolle, wenn es um die Vergabe eines Kredits geht, denn es hat in der Regel einen direkten Einfluss auf die Konditionen des Darlehens. Dennoch ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, eine Finanzierung ohne Eigenkapital zu realisieren. Dabei wird in der Regel zwischen einer Vollfinanzierung und einer 100-Prozent-Finanzierung unterschieden:
Vollfinanzierung
Bei einer Vollfinanzierung wird ein Kredit beantragt, der die Kosten des Hauses bzw. der Wohnung umfasst sowie alle Kaufnebenkosten. Je nachdem, in welchem Bundesland Sie leben, müssen Sie hier zusätzlich mit 10 bis 15 Prozent des reinen Kaufpreises für Ihre Immobilie rechnen. Zu den Kaufnebenkosten zählen:
- Notargebühren
- Grundbucheintrag
- Grunderwerbssteuer
- evtl. anfallende Maklergebühren
100-Prozent-Finanzierung
Haben Sie jedoch Erspartes in Höhe der Kaufnebenkosten auf der hohen Kante, können Sie eine 100-Prozent-Finanzierung bei Ihrem Kreditinstitut beantragen. Bei einer solchen Finanzierung ohne Eigenkapital wird ein Darlehen in Höhe des reinen Kaufpreises der Immobilie beantragt.
Was zählt alles zum Eigenkapital?
Unter Umständen steht Ihnen mehr Eigenkapital zur Verfügung, als Sie glauben. Berücksichtigen Sie bei der Eigenkapitalberechnung folgende Punkte:
- Verfügen Sie über höhere Bargeldbeträge? Wenn ja, wie viel?
- Haben Sie ein Spar-, Tages- und/oder Festgeldkonto? Wenn ja, in welcher Höhe?
- Besitzen Sie Edelsteine, Gold, Silber und/oder andere Edelmetalle?
- Besitzen Sie wertvolle Antiquitäten, Münzsammlungen, Gemälde und/oder andere Kunstgegenstände?
- Haben Sie einen zuteilungsreifen Bausparvertrag?
- Gibt es Verträge über vermögenswirksame Leistungen und/oder Riester-Rente(n)?
- Existiert eine Lebensversicherung, die ausgezahlt werden kann?
- Das (geerbte) Baugrundstück zählt ebenfalls zum Eigenkapital.
- Entgeltfreie (Bau-)Eigenleistungen durch Sie und durch Familienmitglieder oder Freunde gehören ebenfalls in den Bereich des Eigenkapitals.
Finanzierung ohne Eigenkapital – worauf achten Banken?
Jeder, der eine Immobilie erwerben oder bauen möchte, muss sich im Klaren darüber sein, dass eine Finanzierung ohne Eigenkapital oft mit höheren Zinsen und zusätzlichen Kosten verbunden ist. Schließlich muss das Kreditinstitut das höhere Risiko etwas ausgleichen. Die Kreditvergabe hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Dabei spielen nachfolgende Punkte eine wichtige Rolle:
- Bonität: Ihre Bonität spielt eine entscheidende Rolle bei der Kreditvergabe. Eine gute Kreditwürdigkeit – nachgewiesen durch eine positive SCHUFA-Auskunft sowie ein ausreichendes Einkommen – erhöht die Chancen auf die Zusage einer solchen Finanzierung.
- Einkommen: Wie zuvor erwähnt, spielt ein regelmäßiges Einkommen eine wichtige Rolle bei der Vergabe eines Kredits. Je höher das Einkommen, desto besser stehen die Chancen auf eine Finanzierung ohne Eigenkapital.
- Sicherheiten: Unter Umständen können zusätzliche Sicherheiten, wie beispielsweise eine Bürgschaft (beispielsweise von den Eltern) oder eine Grundschuld auf einer anderen Immobilie, eine Kreditvergabe positiv beeinflussen.
- Berufliche Situation: Wenn Sie sich in einer langfristigen, stabilen beruflichen Situation befinden, wirkt sich das in der Regel positiv auf die Kreditvergabe aus, da hier die Planungssicherheit für die Bank höher ist.
- Schuldentragfähigkeit: Jede Bank überprüft genau, ob Sie die monatlichen Raten für das geplante Darlehen neben allen anderen finanziellen Verpflichtungen wie beispielsweise Miete, Lebenshaltungskosten, Versicherungen und ggf. laufenden Konsumkrediten tragen können.
- Lage der Immobilie: Auch die Lage der Immobilie hat Einfluss auf die Entscheidung zur Kreditvergabe. So wird eine Bank die Eigentumswohnung bzw. das Einfamilienhaus in einem attraktiven Stadtteil in Großstädten wie beispielsweise Frankfurt, Hamburg oder München sicherlich eher finanzieren als ein sanierungsbedürftiges Haus in einer strukturschwachen Region.
- Individuelle Richtlinien der Bank: Jede Bank hat ihre eigenen Richtlinien und Kriterien für die Kreditvergabe – nicht nur bei einer Finanzierung ohne Eigenkapital. Diese Richtlinien sind in der Regel nicht diskutierbar. So wird es immer Kreditinstitute geben, die möglicherweise eher bereit sind, eine Immobilie ohne Eigenkapital zu finanzieren als andere.
Für wen kommt eine Finanzierung ohne Eigenkapital in Frage?
Diese Art der Finanzierung kann sich – wenn alle Vorzeichen stimmen – für junge Familien eignen, die noch kein Eigenkapital zur Seite legen konnten. Außerdem ist Sie unter Umständen für Menschen sinnvoll, die über Eigenkapital in Form von langfristigen Geldanlagen verfügen, diese aber nicht vorzeitig auflösen wollen oder können.
Vor- und Nachteile einer Finanzierung ohne Eigenkapital
Nachfolgend haben wir die Vor- und Nachteiler einer solchen Finanzierungsart für Sie zusammengefasst. So fällt es Ihnen vielleicht leichter, zu entscheiden, ob dies die richtige Methode ist, um sich Ihren Traum vom Eigenheim zu erfüllen:
Vorteile
- Schnelle Realisierung des Immobilienkaufs bzw. des Hausbaus
- Finanzielle Rücklagen sind in der Regel nicht notwendig
- Eventuell vorhandene Finanzpolster können als Rücklage für unvorhergesehene Ausgaben verwendet werden
Nachteile
- Diese Art der Finanzierung ist in der Regel teurer als andere
- Die Laufzeiten eines solchen Darlehens sind meistens sehr viel länger als bei anderen Finanzierungsvarianten
- Sie müssen über eine ausgezeichnete Bonität verfügen
- Häufig wird nur eine Immobilie in sehr guter Qualität und hervorragender Lage ohne Eigenkapital finanziert
- Das Schulden-Risiko ist sehr hoch
Fazit
Eine Finanzierung ohne Eigenkapital kann in bestimmten Situationen eine Möglichkeit sein, sich relativ schnell den Traum vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung zu realisieren. Allerdings sollten Sie diese Option sehr gut durchdenken und vor allem durchrechnen. Eine sehr gute Bonität und eine realistische Einschätzung der monatlichen Belastung sind entscheidend, um finanzielle Risiken zu reduzieren.
Klären Sie im Voraus, wie Ihre persönliche Lebensplanung in den nächsten Jahren generell aussehen soll (beruflich und privat). Wenn Sie noch in der Familienplanung sind, sollten Sie möglicherweise nicht mit zwei Gehältern rechnen, sondern nur mit einem. Als rechnerische Faustregel gilt: Ihre Kreditrate sollte nicht mehr als 40 Prozent Ihres Nettoeinkommens ausmachen. Die übrigen 60 Prozent benötigen Sie für den täglichen Lebensunterhalt, Reparaturen und Nebenkosten, gelegentliche Neuanschaffungen und vieles mehr.
Überlegen Sie, ob nicht Alternativen für Sie in Frage kommen wie beispielsweise das Ansparen von Eigenkapital über einen Bausparvertrag oder staatliche Förderprogramme. So schaffen Sie sich langfristig eine solide finanzielle Basis, auch wenn der Kauf oder der Bau einer Immobilie so noch ein paar Jahre warten muss.