Eigenbedarfskündigung – wenn Vermieter und Vermieterinnen die Wohnung selber beanspruchen

Besonders in deutschen Großstädten mit angespannter Wohnungsmarktsituation erweckt sie Horrorvorstellungen: die Eigenbedarfskündigung. Wenn die Kündigung auf Eigenbedarf in den Briefkasten flattert, sind Mieter:innen nicht nur gezwungen sich kurzfristig nach einer neuen Mietwohnung umzuschauen. Oftmals werden sie auch ungewollt aus ihrem gewohnten Lebensumfeld herausgerissen. Dem gegenüber steht jedoch, dass Vermieter:innen eben aufgrund der schwierigen Wohnungssituation auch keine andere Möglichkeit haben, als Eigenbedarf anzumelden, um ihr Eigentum als Wohnraum zu nutzen. Schließlich stellt die Kündigung auf Eigenbedarf einer der wenigen Gründe für den Vermieter/die Vermieterin dar, ohne Vorliegen eines Verschuldens durch den Mieter/die Mieterin einen unbefristeten Mietvertrag zu kündigen. 

Wie auch immer die Eigenbedarfskündigung betrachtet wird, sie ist ein doppelschneidiges Schwert, zu dem sich Vermieter:innen sowie Mieter:innen  spätestens beim Eintreffen des Falls auskennen sollten. Wir fassen die Grundlagen zur Eigenbedarfskündigung, die Voraussetzungen, sowie die Rechte und Pflichten der Beteiligten für Sie zusammen. 

Was ist eine Eigenbedarfskündigung?

Die Eigenbedarfskündigung ist eine spezifische Form der Kündigung eines Mietverhältnisses durch den/die Eigentümer:in, bei der dieser/diese den Wohnraum für sich selbst, seine/ihre Familienmitglieder oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Die Kündigung auf Eigenbedarf spiegelt eine der wenigen Optionen für den/die Vermieter:in wider, unbefristete Mietverträge zu beenden, ohne dass der/die Mieter:in sich beispielsweise durch Zahlungsverzug des Mietzinses aktiv etwas zu Schulden hat kommen lassen. Um den Wunsch auf Eigenbedarf durchsetzen zu können, müssen jedoch stichhaltige und nachweisbare Gründe vorliegen. Auf der anderen Seite hat der/die Mieter:in das Recht auf Widerspruch sowie die Möglichkeit, gewisse soziale Kriterien geltend zu machen, die gegenüber des Eigenbedarfs des/der Vermieter:in zumindest vorrübergehend überwiegen. 

Allgemein ist die Eigenbedarfskündigung im deutschen Mietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 573 geregelt. Es gilt, eine Balance zwischen den Interessen des Vermieters/der Vermieterin und den sozialen Schutzbedürfnissen des Mieters/der Mieterin zu finden und die hohe Schutzwürdigkeit von Eigentum mit dem Anspruch auf Wohnraum in Relation zu setzen. 

Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung

Bei einer Eigenbedarfskündigung muss in erster Linie der/die Vermieter:in mehrere Voraussetzungen beachten: Zunächst muss seitens des/der Eigentümer:in ein berechtigter Eigenbedarf vorliegen. Was diese berechtigten Gründe sind, wird im nächsten Absatz zu bei den Rechten und Pflichten des/der Vermieter:in detailliert ausgeführt. Grundsätzlich gilt allerdings, dass der/die Vermieter:in den Eigenbedarf konkret begründen und nachweisen können muss – nicht nur gegenüber dem/der Mieter:in, sondern ggf. auch gegenüber einem Gericht. 

Des Weiteren ist die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zwingend notwendig. Die tatsächliche Kündigungsfrist bei Eigenbedarf richtet sich nach der Dauer des bestehenden Mietverhältnisses und kann, bei zeitlich bereits sehr lang laufenden Mietverträgen, bis zu neun Monate betragen. Wie auch bei normalen Kündigungen muss die Eigenbedarfskündigung schriftlich erfolgen, um als formgerecht angesehen zu werden. 

Dem/der Mieter:in steht die Option offen, gegen die Eigenbedarfskündigung Widerspruch einzulegen sowie auch einen sozialen Härtefall geltend zu machen. Die Widerspruchsfrist wie die Bedingungen hierfür sind ebenfalls gesetzlich geregelt und werden ebenso im folgenden Absatz zu den Rechten und Pflichten des/der Mieter:in ausführlich dargelegt. 

Rechte & Pflichten Des Vermieters/der Vermieterin

Rechte (u.a.)

  • Erhebung des vertraglich vereinbarten Mietzinses
  • Durchführung von Mieterhöhungen im vertraglich vereinbarten und dem gesetzlichen Rahmen
  • Kündigung des Mietvertrages unter bestimmten Umständen 

Pflichten (u.a.)

  • Instandhaltung der Mietsache
  • Gewährleistung der vertragsgemäßen Nutzung
  • Erstellung der fristgerechten Nebenkostenabrechnung

Rechte & Pflichten bei Eigenbedarfskündigung

Solange der/die Mieter:in ein pflichtgemäßes Verhalten und einen ordnungsgemäßen Umgang mit der Mietsache an den Tag gelegt hat, spricht nichts dagegen, dass dieser/diese so lange wie er/sie möchte den Wohnraum anmietet – wenn definitiv kein juristisch durch den/die Vermieter:in durchsetzbarer Grund vorliegt. Lediglich die Eigenbedarfskündigung ist eine Option, deren Gründe aber im Bereich des Vermieters/der Vermieterin liegen. 

Für die Eigenbedarfskündigung ist der/die Vermieter:in verpflichtet, die gesetzlich festgelegte Kündigungsfrist einzuhalten. Ebenso muss er/sie den Eigenbedarf deutlich aufführen, für wen der Eigenbedarf gilt (ohne Nennung personenspezifischer Daten) und sicherstellen, dass triftige Gründe vorliegen, um diese Art der Kündigung durchzusetzen. Der/die Vermieter:in ist verpflichtet, die Kündigung dem/der Mieter:in schriftlich per Post zuzustellen – eine Kündigung per E-Mail oder Messengerdienste sind ungültig. 

Berechtigte Gründe für Eigenbedarf

Ein legitimes Interesse für die Eigenbedarfskündigung besteht, wenn Vermieter:innen die Wohnung z.B. aufgrund beruflicher oder familiärer Veränderungen selbst benötigen. Dies ist auch dann zutreffend, wenn enge Familienangehörige wie Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern, Enkel sowie Ehe- oder Lebenspartner in den betreffenden Wohnraum einziehen sollen. Nur der eben genannte Personenkreis wird als enge Familie betrachtet, wohingegen sich bei entfernten Verwandten wie beispielsweise Schwiegereltern oder Cousins und Cousinen die Sachlage wesentlich komplexer gestaltet. In solchen Fällen vertreten Gerichte die Ansicht, dass den entfernteren Familienmitgliedern durchaus zuzumuten sei, alternative Wohnmöglichkeiten finden zu können und deswegen das Recht des/der Mieter:in auf Beibehaltung des betreffenden Wohnraums überwiegt. Hierbei ist stets die Intensität der persönlichen Beziehung zum/zur Wohnungsbesitzer:in ausschlaggebend und muss glaubhaft dargelegt werden. 

Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch das berechtigte Interesse zu erwähnen, das sich aus der Notwendigkeit der Unterbringung von Haushaltshilfen und/oder Pflegepersonal ergeben, welche unmittelbar für den/die Vermieter:in tätig sind. Ein reines Beschäftigungsverhältnis ohne Vorliegen der tatsächlichen Unterstützung im Alltag des/der Vermieter:in reicht in der Regel nicht aus. 

Rechte & Pflichten des Mieters/der Mieterin

Rechte (u.a.)

  • Recht auf einen bewohnbaren Zustand des Mietwohnraums
  • Recht auf Nutzung des Wohnraums
  • Recht auf Privatsphäre innerhalb dieses Wohnraums

Pflichten (u.a.)

  • Fristgerechte Zahlung des Mietzinses
  • Sorgsame Behandlung des Mietobjekts

Rechte & Pflichten bei Eigenbedarfskündigung

Bei einer generellen Kündigung muss der/die Vermieter:in die gesetzliche Kündigungsfrist einhalten und dem/der Mieter:in die Kündigung schriftlich zukommen lassen. Sowohl bei der generellen als auch bei einer Kündigung aus Eigenbedarf heraus müssen dem/der Mieter:in die Gründe dargelegt werden. Grundsätzlich haben Mietende das Recht, einer Kündigung zu widersprechen, was unumstritten auch im Fall einer Eigenbedarfskündigung zutrifft. Es besteht jedoch die Pflicht der frist- und formgerechten Einreichung des Widerspruchs, da er andernfalls nicht gültig ist. Verzichtet der/die Mieter:in auf das rechtliche Mittel eines Widerspruchs, ist dieser/diese dazu verpflichtet, nach Ablauf der Kündigungsfrist den Wohnraum zu verlassen. 

Stärkung der Position von Mietern/Mieterinnen

Im Fall mit dem Aktenzeichen 67 S 264/22 wurde vor dem Berliner Landgericht die Eigenbedarfskündigung einer Vermieterin geprüft. Sie wollte die Wohnung selbst beziehen, da sie aus beruflichen Gründen wieder in Berlin tätig war. Trotz Anerkennung des berechtigten Interesses seitens der Vermieterin entschied das Gericht gegen die Räumung des Mieters und verfügte die Fortsetzung des bestehenden Mietverhältnisses um zwei Jahre. 

Diesem Beschluss ging die intensive und glaubhaft gemachte Bemühung des Mieters voraus, mitsamt über 240 Bewerbungen auf diverse Wohnungen in über 39 Berliner Stadtteilen. Jedoch blieben die Zusagen aus und der Mieter konnte letztlich keine alternative Unterkunft in Berlin finden. Mit der Begründung einer unzumutbaren Härte legte er Einspruch gegen die Eigenbedarfskündigung ein. Sachverständige bestätigten im Gerichtsprozess die geringen Erfolgsaussichten des Mieters aufgrund der angespannten Wohnungslage und seines limitierten Einkommens. Auch wenn die Übertragbarkeit des Urteils nicht auf sämtliche Eigenbedarfskündigungen gegeben ist, so stellt das Urteil dennoch eine Stärkung der Position von Mietenden dar. Insbesondere in Gebieten mit knappen Wohnungsangebot besteht nun eher die Möglichkeit, die Räumungsfrist deutlich zu verlängern, um einen adäquaten Wohnersatz zu finden, auch wenn die Kündigung an sich dadurch nicht aufgehoben wird. 

Tipps zum Umgang mit einer Eigenbedarfskündigung

Für Vermietende

Tipp #1: Manchmal verändert sich die Wohn- oder Lebenssituation ganz unvorhergesehen und manchmal ist abzusehen, dass sich neue Bedürfnisse ergeben werden. Überlegen Sie daher als Vermieter:in, ob Sie Ihren Wohnraum nicht von vorneherein befristet vermieten. So spielen Sie mit offenen Karten und erwecken dem/der Mieter:in gegenüber keinen Hoffnungen hinsichtlich eines unbefristeten Mietverhältnisses. 

Tipp #2: Suchen Sie frühzeitig das Gespräch – erläutern Sie Ihrem/Ihrer Mieter:in glaubhaft, warum Sie den Wohnraum benötigen und in welchem Zeitraum Sie den Einzug beabsichtigen. Ein persönliches Gespräch vermittelt eher die Bereitschaft, zu einem Konsens zu gelangen als den/die Mieter:in mit einer Eigenbedarfskündigung vor vollendete Tatsachen zu stellen. 

Tipp #3: Lassen Sie sich bei Vermieter-Verbänden beraten – Verbände wie Haus & Grund unterstützen Sie mit Vordrucken für das Kündigungsschreiben, beraten Sie und vermitteln Ihnen im schlechtesten Fall juristischen Beistand. 

Für Mietende

Tipp #1: Auch Ihr/Ihre Vermieter:in ist nur ein Mensch – nicht selten gibt es besonders bei der Räumungsfrist noch Spielraum, die Sie in einem persönlichen Gespräch mit dem/der Vermieter:in absprechen können. Gehen Sie neutral in den Austausch und versuchen Sie, Verständnis aufzubringen – so wird Ihr/Ihre Vermieter:in auch sicherlich Verständnis für Ihre schwierige Situation zeigen. 

Tipp #2: Nehmen Sie Beratung in Anspruch – der Mieterbund kann Ihnen bei einer ersten Einschätzung behilflich sein, vor allen hinsichtlich der formalen Korrektheit der Kündigung. Ebenso kann Ihnen der Mieterbund Anwälte empfehlen, die bereits beim Einlegen eines Widerspruchs mit ihrem Erfahrungsschatz einen deutlichen Vorsprung bringen können. 

Fazit

Der Gesetzgeber hat versucht, den Anspruch auf sein/ihr Eigentum eines/einer Vermieter:in nicht höher zu stellen als den Anspruch eines/einer Mieter:in auf Nutzung des Wohnraums – auch wenn, je nach betroffener Seite, der Anschein verzerrt scheint. Vielmehr wird beim Thema Eigenbedarfskündigung klar, dass sowohl Vermieter:innen als auch  Mieter:innen  unter der prekären Wohnungsmarktsituation in deutschen Großstädten leiden und hier die individuelle Betrachtung des Falls immer dazu beitragen kann, dass sich Vermietende und Mietende nicht spinnefeind gegenüberstehen. 

Unser Tipp: Suchen Sie als Vermieter:in UND als Mieter:in immer das klärende Gespräch bei Eigenbedarfskündigung. Sollte keine gütliche Einigung möglich sein, besteht immer der Weg vors Gericht, der für beide Seiten jedoch finanziell als auch nervlich belastend sein kann. 

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