SIGNA Elbtower View Sunset

Der Hamburger Elbtower – ein weiteres Grossprojekt kurz vorm Scheitern?

– EINE GLOSSE –

Entwickelt sich in Deutschland vielleicht ein neues Krimi-Genre? Der Bauprojekt-Krimi? Man nehme: Eine beliebige deutsche Großstadt, ein sündhaft teures Bauprojekt, dubiose Bauträger:innen, die fragwürdigen Umstände der städtischen Baugenehmigung, das finanzielle und planerische Scheitern dieses Projekts und voilà – fertig ist der Plot für den Bauprojekt-Krimi.

Der Hamburger Elbtower könnte für dieses neue Genre sehr gut herhalten, denn zuletzt sorgte er oft für Schlagzeilen. Momentan gibt es allerdings wenig Gutes über das Hochhaus in der Hamburger Hafencity zu berichten, dass nach Eigenwerbung der Stadt Hamburg eigentlich „ein selbstbewusstes Statement der wachsenden Stadt Hamburg sein“ soll(te). Stattdessen lautete die Hiobsbotschaft für das persönliche Prestige-Projekt von Olaf Scholz – aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister – Baustopp.

Grund dafür sind bereits erbrachte Baudienstleistungen, deren Rechnungen der Bauherr Signa Prime Selection AG, gegründet von René Benko, noch nicht gezahlt hat. Genau jenem Immobilienunternehmer, der großspurig als Retter der Warenhausgesellschaften Karstadt und Galeria Kaufhof auftrat, stattdessen staatliche Hilfen in Millionenhöhe kassierte und die Warenhäuser dennoch an die Wand fuhr. Zusätzlich kommt aktuell hinzu, dass die Signa Holding GmbH, Mutterkonzern der Signa Prime Selection AG, Insolvenz beantragt hat und nun die Frage im Raum steht, wie es generell weitergeht.

Nach bekannten Bauprojekt-Krimis wie der Hamburger Elbphilharmonie, dem Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Berliner Flughafen BER nun also weiterer Stoff für eine neue Elbtower-Krimi-Ausgabe. Aber zunächst der Reihe nach – hier die Fakten und Hintergründe zum neuesten Fall.

SIGNA Elbtower Elbphilharmonie
3D-Simulation der Ansicht von der Elbe aus – mit Elbphilharmonie und Elbtower.
Bild: Copyright SIGNA Real Estate

Fakten rund um das Grossprojekt

Der Elbtower soll ein 245 Meter hohes Gebäude an den Toren zu Hamburg werden. Die Bauherrin Signa Prime Selection AG reichte 2020 dazu den Bauantrag entsprechend den Plänen des Architekten David Chipperfield von David Chipperfield Architects ein. Chipperfield verantwortet bereits die Architektur des Hochhauses Empire Riverside in Hamburg und hat auch weltweit interessante urbane Entwürfe realisiert.

Der Baustart an der Baugrube in der Hafencity erfolgte im Dezember 2021. Mit dem Hochbau wurde im Frühjahr 2023 begonnen. Das Ziel lautete, den Elbtower bis 2025 fertigzustellen – mittlerweile geht der Bauherr eher von 2026 aus. Kosten soll der nach Messeturm und Commerzbanktower – beide in Frankfurt am Main – dritthöchste Hochhaus Deutschlands insgesamt 950 Millionen Euro. Hinsichtlich der Nutzung der 104.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche ist eine Mischung aus Büros, Hotel und Einzelhandel geplant, wobei Ersteres mit 73.000 Quadratmetern den Hauptanteil einnimmt, die auch prominent im Turm des Elbtowers verteilt sein werden. 

Warum herrscht Baustopp?

Die Hintergründe zum Baustopp beim Elbtower sind vielfältig. Sie lassen sich aber auch auf den Größenwahn eines Einzelnen – René Benko – herunterbrechen. Benko nutzte die letzten zwei Jahrzehnte des Niedrigzinses, um prestigeträchtige Objekte und Grundstücke in zahlreichen Metropolen weltweit seinem Portfolio hinzuzufügen. Dazu gehören beispielsweise Objekte wie das KaDeWe in Berlin und das Chrysler Building in New York.

Doch es braucht kein kriminalistisches Gespür, um zu verstehen, dass der eigentliche Wert der Objekte und Grundstücke in den zentralen Standorten selbst und insbesondere in dem Potential der Weiterentwicklung liegt. Was hier mit „Weiterentwicklung“ so nachhaltig und auf Bestehendem aufbauend klingt, bedeutet in Wahrheit jedoch oftmals der Abriss von Bestandsgebäuden und der luxuriöse Neubau, der dann teuer gewerblich vermietet oder zu Wohnzwecken verkauft werden kann. 

An sich ein erfolgsversprechender Plan – hätte bloß die Weltpolitik Benko nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine haben bekanntlich die Zinsen wieder steigen lassen und sind auch für die die explodierenden Bau- und Energiekosten verantwortlich. Hinzu kommt der anhaltende Trend des Homeoffice sowie des Onlinehandels, die beide im krassen Gegensatz zu der geplanten Nutzung des Elbtowers stehen.

Waren also bisher die Immobilienbewertungen der Objekte im Signa Prime Selection AG Portfolio sehr gut und damit eine exzellente Sicherheit, um an frisches Geld zu kommen, so wurde diese Bewertung allein im Jahr 2022 in Höhe von 1,16 Milliarden Euro abgewertet, laut Berichten vom Handelsblatt. Und wo kein neues Darlehen oder Kredit bewilligt wird, bleiben eben auch Rechnungen liegen. So, wie beim Elbtower geschehen.

Wie kann der Elbtower-Fall gelöst werden?

Ein erster Ansatz fand bereits statt: Benko engagierte Arndt Geiwitz, einen deutschen Wirtschaftsprüfer, der für Firmensanierungen bekannt ist und der Benko zuletzt im März 2023 beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof aus der Patsche helfen sollte. Geiwitz wollte bis Ende November Schritte zur Restrukturierung der Signa Holding GmbH erarbeiten, zu dessen Tochtergesellschaften die Signa Prime Selection AG zählt. Anscheinend haben diese Bemühungen aber nicht gefruchtet bzw. ließ sich kein frisches Geld auftreiben, denn der Mutterkonzern stellte am 29. November 2023 einen Insolvenzantrag beim Handelsgericht in Wien.

Nach anhaltenden negativen Presseberichten über sich anhäufende Probleme bei verschiedenen Tochtergesellschaften hat Benko Anfang November zusätzlich den Beiratsvorsitz der Signa Holding abgegeben. Dies wohl in der vergeblichen Hoffnung, das Vertrauen in die strauchelnde Holding wiederherzustellen. Alles umsonst, denn der Elbtower-Krimi ist für die Stadt Hamburg noch nicht gelöst: Wann wird weitergebaut? Und, wird überhaupt weitergebaut?

Das ist ungewiss: Hatte die Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Karin Pein, anfangs noch versucht die Öffentlichkeit damit zu beruhigen, indem Sie betont, dass empfindliche Vertragsstrafen und ein Rückkaufsrecht für die Stadt Hamburg greifen, wenn vertraglich festgehaltene Baufristen nicht eingehalten werden, so fordern nun erste Stimmen der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion den Rückbau des Elbtowers, nach Berichten der Tagesschau.

Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher hatte ja bereits die kategorische Absage erteilt, das Großprojekt mit Steuergeldern zu retten, wie das Manager Magazin berichtet. Einwandfreie Aussagen, wenn sie denn auch so eingehalten werden. Ob Tschentscher sich im Nachhinein daran erinnern wird, darf zumindest in Frage gestellt werden, wenn man von den Erinnerungslücken seines Vorgängers Scholz ausgeht.

SIGNA Elbtower Topview
3D Darstellung aus der Vogelperspektive des Elbtowers. Bild: Copyright SIGNA Real Estate

Fazit oder ‘Wer wird es richten?’

Für den Elbtower-Krimi bedeutet die aktuelle Situation, dass die Hoffnungen der Stadt Hamburg nun ganz beim vom Gericht bestimmten Sanierungsverwalter/bei der vom Gericht bestimmten Sanierungsverwalterin liegen. Dieser/diese ist nun gefragt, einen nachhaltigen Restrukturierungsplan für die Signa Holding GmbH zu erarbeiten. 

Grundsätzlich sieht es so aus, als müsse die Stadt Hamburg von ihrem Rückkaufrecht Gebrauch machen, nach welchem die Stadt das Grundstück ohne Verluste zurückkaufen kann. In diesem Fall müsste sich „nur“ noch ein neuer Investor/eine neue Investorin finden, der/die den knapp 100 Meter hohen Rohbau fertigstellt. Einziger Vorteil: Für den bis jetzt gebauten Rohbau (immerhin circa 200 Millionen Euro wert) müsste ein neuer Investor/eine neue Investorin keinen Cent bezahlen, wie im Vertrag zwischen Signa und der Stadt Hamburg steht. Investierende für ein nur noch 750 Millionen Euro Projekt zu finden, wird jedoch sicherlich ein Kinderspiel trotz der ungewissen Zeiten, in denen Bauträger:innen von Großprojekten, wie dem Elbtower Abstand nehmen. Ganz einfach also – Fall gelöst.

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