Würdevoll wohnen in Re:Ukraine Modulen für Geflüchtete

Was würden Sie tun, wenn in Ihrer Heimat Krieg ausbricht? Diese schwerwiegende Frage mussten sich Millionen von Ukrainern und Ukrainerinnen stellen, als Russland einen widerwärtigen Angriffskrieg gegen ihr Land startete. 11,6 Millionen Ukrainer:innen (laut Schätzung der UN) haben die Flucht gewählt oder waren zur Flucht gezwungen. Doch kurz- oder mittelfristig brauchen diese Flüchtlinge dringend Wohnraum. Und genau hier setzt der Kiewer Architekt Slava Balbek an und entwickelte das RE:Ukraine System mit modularen Unterkünften für würdevolles Wohnen von Geflüchteten. 

Fotorealistische Darstellung der Re:Ukraine Flüchtlingsmodulen des ukrainischen Architekturbüros Balbek
Re:Ukraine – das Projekt für Flüchtlingsunterkünfte aus der Feder des ukrainischen Architekturbüros Balbek. Bild: Copyright Balbek Bureu

Beweggrund hinter dem RE:Ukraine System

Auch wenn Russland das Zuhause von zahllosen Ukrainern und Ukrainerinnen durch Bombardierung zerstört hat, so kann es ihnen dennoch nicht die Würde nehmen. Dieser Leitgedanke treibt den Architekten Balbek an, der mit seinem RE:Ukraine System modulare Gebäude entwarf, die vor allen Dingen eines sollen: Flüchtlingen Sicherheit und vorübergehend ein angemessenes Dach über den Kopf bieten. 

Nachdem Balbeks Team die Entwicklung, die Bauart und den Wartungsaufwand für verschiedene existierende Lösungen für Flüchtlingsunterkünfte analysiert hat, entwickelte es auf dieser Grundlage ein flexibles System. Eines, dass sich auf vielen verschiedenen Untergründen aufbauen lässt, sich in den unterschiedlichsten Landschaften einfügt und sich an diverse Besiedlungsdichten anpasst. 

Grundrissbeispiel passend zur Visualisierung im vorherigen Bild. Bild: Copyright Balbek Bureau

Die Bauart der RE:Ukraine Module

Den Kern der 3,3 Meter breiten und 6,6 Meter langen RE:Ukraine Module bildet eine Holzrahmenkonstruktion. Diese wird an den Wandseiten mit Mineralwolle gedämmt und anschließend mit OSB-Platten (OSB = Oriented strand boards, Platten aus Grobspan) beplankt, die individuell mit Tür- oder Fensteröffnungen ausgestattet werden können. 

Zur Decke hin wird zuerst eine OSB-Platte eingesetzt, bevor die Mineralwolle als Dämmschicht folgt. Auf dieser wird eine beschichtete Konterplatte angeordnet, die auf der Außenseite durch eine wasserdichte Grundierung und durch Bitumenbahnen verlässlich dem Wetter trotzt.  

Zum Boden hin wird unterhalb der Bodenbalkenlage mit Polystyrol-Schaumplatten gedämmt. Das gesamte Modul liegt auf einem monolithischen Gerüst auf, das durch Bohrpfähle sicher im Untergrund verankert ist. 

Explosionszeichnung zum Modulaufbau. Bild: Copyright Balbek Bureau

Kombinationsvielfalt und Modul-Arten

Ein einzelnes der RE:Ukraine Module bildet nach Vorstellung von Balbeks Bureau die kleinste Wohneinheit, wobei in der Kombination von drei Modulen der kleinste Block entsteht. Mittelgroße Wohnblöcke bestehen aus 12 Modulen, jedoch sind auch ganze Siedlungen aus wesentlich mehr Modulen umsetzbar. 

Die Kombinationsvielfalt rührt daher, dass sich die Module aufgrund ihrer Bauart ohne großen Aufwand in vier verschiedene Modul-Arten umsetzen lassen: 

  1. Wohn-Modul (für privat nutzbare Räume in verschiedenen Ausführungen) 
  2. Küchen-Modul (kommunale Fläche für Gemeinschaftsküchen) 
  3. Wasch- und Bad-Modul (Badezimmer, Hauswirtschaftsraum, Wickelraum, etc.) 
  4. Öffentliche Flächen-Modul (gemeinsamer Erholungsraum) 
Varianten der einzelnen RE:Ukraine Module. Bild: Balbek Bureau
Varianten der kleinen Blöcke mit je drei oder zwei RE:Ukraine Modulen. Bild: Balbek Bureau

Durch die flexible Kombination der Blöcke und Modul-Arten lassen sich zahlreiche Grundrisse zusammenstellen, die eine ganz individuell angepasste Nutzung erlauben. Grundlegender Gedanke ist es, autarke Wohnbereiche zu schaffen, die neben den Privaträumen mindestens ein Bad, eine Küche und einen Gemeinschaftsraum aufweisen und somit den notwendigen Komfort bieten. 

Die Flexibilität des Modulsystems war bei der Entwicklung mindestens genauso wichtig, wie eine kurze Bauzeit, bezahlbare Baukosten sowie die Verwendung von weltweit ausreichend vorhandenen Materialien wie Holz. Je nach Standort, Konfiguration der Module und technischen Voraussetzungen liegen die Kosten zwischen 350 und 550 US-Dollar pro Quadratmeter. 

Das Projekt Re:Ukraine möchte Flüchtlingen würdevolle und moderne Unterkünfte bieten.
Bild: Copyright Balbek Bureu

Hintergrund: Balbek Bureau ist ein weltweit tätiges Architektur- und Innenarchitekturbüro, das vom ukrainischen Architekten Slava Balbek gegründet wurde. Das Architektenteam gestaltet seit 13 Jahren maßgeschneiderte Geschäfts-, Unternehmens- und Wohngebäude, bei denen die Aspekte Komfort, Innovation und Funktionalität im Vordergrund stehen. Ziel ist es, für die Gemeinschaft sozial nachhaltige Räume zu schaffen. Die Arbeit von Balbek Bureau wurde bereits mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet und erschien als Referenz in weltweit veröffentlichen Zeitschriften. 

Das Balbek Bureau Team hinter dem RE:Ukraine System. Bild: Copyright Balbek Bureau

Ausblick

Eine erste modulare Siedlung mit dem RE:Ukraine-System soll in der ukrainischen Region Ternopil gebaut werden. Den Plänen zufolge sollen in dieser Siedlung 5545 Einwohner zumindest temporär ein neues Zuhause finden. Die Siedlung grenzt an die im Westen liegende Stadt Zbarazh  und wird über eine intakte Infrastruktur mit Einkaufsmöglichkeiten, Kindergärten und Grundschulen sowie öffentlichen Erholungsgebieten verfügen.  

Der Architekt Balbek informiert regelmäßig über dieses und weitere Projekte in den sozialen Medien wie LinkedIn, und Instagram

NPF

Nathalie Pfeiffer ist Bautischlerin und Bauingenieurin. Nach über 18 Jahren Arbeitserfahrung in diesen Berufen hat sie Hammer und Bauhelm gegen die Tastatur eingetauscht, um als Fachjournalistin über architektonische, bautechnische und handwerkliche Themen zu schreiben. 

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