Mit Recyclingbeton nachhaltige Chancen im Bauwesen nutzen

Beton stellt den Baustoff dar, dessen Rohstoffe den höchsten Rohstoffverbrauch aufweisen. Zugleich besteht in Beton ein bislang nicht ausreichend genutztes Potential. Gerade in Großstädten, wo massenhaft Beton verbaut wird, eröffnet sich durch die exzessive Verwendung dieses Baustoffs eine nachhaltige Chance – die Rede ist von Recyclingbeton (RC- oder R-Beton). Wie genau verändert sich das Bauwesen, wenn aus Abbruch gewonnener Recyclingbeton verwendet wird? Welche Faktoren spielen beim Recyclingbeton eine Rolle? Wo gibt es bereits Beispiele für den Bau mit wiederaufbereitetem Beton? Diese und weitere Fragen beantwortet der Beitrag. 

Beton in konventioneller Bauform. Bild: Copyright Envato Elements

Beton – ein zwiespältiger Baustoff

Die Formel für Beton ist recht einfach: Je nach sogenannten Expositionsklasse des Betons (also den Anforderungen, denen Beton ausgesetzt ist und gerecht werden muss) werden bestimmte Mengen Gesteinskörnungen (Kies, Sand und/oder Splitt) und Zement mit Wasser vermischt. Dabei dient der Zement als Bindemittel für die Gesteinskörnung und das Wasser setzt den chemischen Abbinde- oder auch Erhärtungsprozess in Gang. Wenn die benötigten Mengen der Inhaltsstoffe beispielsweise für ein Kubikmeter Normalbeton betrachtet werden – 1.960 kg Gesteinskörnung, circa 500 kg Zement und 240 Liter Wasser (leicht variabel je nach Expositionsklasse) – wird schnell klar, dass in der Gesteinskörnung das größte Potential für mehr Nachhaltigkeit liegt. 

Recyclingbeton setzt genau dort an – mithilfe von wiederaufbereitetem Kies aus Abbruch kann die Flächeninanspruchnahme für den Kiesabbau und der CO2-intensive Weitertransport wesentlich minimiert werden. Ein dringend notwendiger Schritt, denn die Betonproduktion zählt mit circa 7 bis 9 Prozent aller menschlich verursachten CO2-Emissionen zu den Hauptfaktoren, die die globale Erderwärmung befeuern. 

Der Recyclinbeton unter der Lupe

Nicht nur Bauen im Bestand bietet zahlreiche Möglichkeiten für ein nachhaltigeres Bauwesen, auch Bauen mit Bestand muss und wird weiter vorangetrieben. In Deutschland existiert seit langem die fachgerechte Trennung von Bauabfällen, weswegen die schieren Mengen an Bauschutt, die dem Recyclingprozess zugeführt werden könnten, bereits vorhanden sind. Das Problem liegt jedoch in der zu geringen Zahl an Entsorgungsbetrieben, die rezyklierten Kies bearbeiten können.  

Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die Verwendung von RC-Beton nur dann rentiert, wenn die Transportwege zwischen Abbruchort, Aufbereitungsstelle und dem Betonwerk, der den wiederaufbereitete Kies zu RC-Beton verarbeitet, so kurz wie möglich sind. Ist dies nicht der Fall, weist Recyclingbeton sogar eine noch schlechtere CO2-Bilanz auf als konventioneller Beton. Aus diesem Grund wird auch vom “Recycling in situ” gesprochen, dem gesamten Recyclingbeton-Kreislauf an einem Ort. 

Ein weiteres Augenmerk liegt auf den Eigenschaften des Recyclingbetons. Genauso wie der konventionelle Beton streng genormt ist, hat der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton e.V. (DAdStb) Richtlinien eingeführt (Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620). Diese Normen regeln, bei welcher Druckfestigkeit bestimmte Expositionsklassen angewendet werden dürfen. Zwei essentielle Faktoren bei der Wahl des richtigen Betons für den jeweiligen Anwendungsbereich und der entsprechenden Betonrezeptur. Somit ist die Nutzung von Recyclingbeton etwas eingeschränkter im Vergleich zu konventionellem Beton. Allerdings auch nicht so gravierend, dass er im Wohnungs- oder öffentlichen Bau hinter den Gestaltungsmöglichkeiten mit diesem Baustoff zurückstecken müsste, wie die gelungenen Beispiele für Gebäude aus Recyclingbeton weiter unten beweisen. 

In diesen drei Punkten liegt unter anderem der Grund, warum im deutschen Hochbau das RC-Beton vergleichsweise zaghaft zum Einsatz kommt. Anders sieht es dagegen in den Nachbarländern Belgien, Schweiz und den Niederlanden aus, wo wiederaufbereiteter Beton fast schon zum Alltagsgeschäft auf Baustellen gehört. Um diesen Rückstand mittelfristig aufzuholen, wurden bereits zahlreiche Forschungs- und Förderprogramme ins Leben gerufen. 

Sichtbetonwand im Innenraum – auch Recyclingbeton kann zu diesem Zweck verwendet werden.
Bild: Copyright Envato Elements

Beispiele für Gebäude mit Recyclingbeton

Umweltstation der Stadt Würzburg

Der Architekt Franz Balda von der Balda Architekten GmbH aus Fürstenfeldbruck nutzte für die im Mai 2019 eröffnete Umweltstation der Stadt Würzburg circa 630 Kubikmeter Recyclingbeton. Die Umweltstation stellt das erste öffentliche Gebäude in Bayern dar, bei dem Recyclingbeton verwendet wurde, in diesem Fall entstand er aus dem Abbruchmaterial einer Autobahnbrücke. Das Gebäude in Form eines transparenten, ovalen Pavillons zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass weitestgehend keine Verbundwerkstoffe eingesetzt wurden, wodurch das Gebäude größtenteils recyclefähig ist. Die auf dem Dach integrierte Photovoltaik-Anlage versorgt die Umweltstation mit Strom und die Wärme sowie Kühlung wird über eine Eisspeicherheizung gewährleistet. 

Forschungs- und Laborkomplex Rhoda-Erdmann-Haus der Humboldt-Universität in Berlin 

Bei dem nach dreijähriger Bauzeit 2016 eröffnetem Rhoda-Erdmann-Haus in Berlin – entworfen von den Bodamer Faber Architekten aus Stuttgart – handelt es sich um das erste öffentliche Gebäude in der Hauptstadt, bei dem Recyclingbeton verwendet wurde. Mit den insgesamt 5.500 Kubikmeter verbauten RC-Beton hat der Berliner-Senat ein deutliches Zeichen für nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft gesetzt. Die grünlich schimmernde Metallfassade und die amorphe Gebäudeform trugen dazu bei, dass das Gebäude den Spitznamen “Grüne Amöbe” trägt. 

Recyclingbeton bietet ein immenses Potential, die Rohstoffressourcen zu schonen und die CO2-Emissionen zu reduzieren. Gerade in der umwelttechnisch problematischen Bauindustrie ein weiterer Ansatz, um trotz dringend notwendigem Wohnungsbau, die Klimaziele dennoch zu erreichen. 

NPF

Nathalie Pfeiffer ist Bautischlerin und Bauingenieurin. Nach über 18 Jahren Arbeitserfahrung in diesen Berufen hat sie Hammer und Bauhelm gegen die Tastatur eingetauscht, um als Fachjournalistin über architektonische, bautechnische und handwerkliche Themen zu schreiben. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie können auch mögen

Schadensbilder am Bau erkennen

Wenn Sie schon einmal ein Haus saniert oder gekauft haben, dann wissen Sie wahrscheinlich sehr genau, wovon wir reden. Denn: Schadensbilder am Bau sind vielfältig und können auf unterschiedlichste Ursachen…
LESEN