Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hat die staatliche Förderung für Effizienzhäuser (EH) am 24. Januar 2022 mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Damit reagierte Habeck auf die enorme Nachfrage, die laut Angaben des Ministeriums die Summe der bereitgestellten Fördermittel bei Weitem übersteigt. Demnach sei eine grundlegende Reform der KfW-Förderung notwendig. Für die Neubaustandards EH 55 und EH 40 sowie energetischen Sanierungen von Bestandsgebäuden werden daher zunächst keine Förderungsanträge mehr bewilligt.
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Hintergründe zum Antragsstopp
Die Gründe für diesen überraschenden Schritt liegt laut Medienberichten in Beschlüssen von Habecks Vorgänger Peter Altmaier. Dieser hatte im November 2021 angekündigt, die KfW-Förderung für Effizienzhäuser 55 Ende Januar 2022 auslaufen lassen zu wollen, da nach Auffassung des Bundes EH 55 mittlerweile einem marktüblichen Standard entsprächen.
Der Neubaustandard EH 55 zeichnet sich dadurch aus, dass entsprechende Objekte im Vergleich zu einem Referenzgebäude nur 55 Prozent der Energie verbrauchen und lediglich 70 Prozent Wärmeverlust aufweisen. Da bislang eine Übergangslösung fehlte und Bauwillige durch die Ankündigung zutiefst verunsichert waren, folgte ein regelrechter Ansturm auf die staatlichen Fördermittel.
Grundsätzlich erfreut sich die KfW-Förderung großer Beliebtheit – normalerweise werden monatlich Anträge mit einem Fördervolumen zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Euro gestellt. Dabei konnte bisher bei einem Neubaustandard EH 55 mit einer Erstattung von 15 Prozent, jedoch maximal 18.000 Euro der Baukosten bzw. des Hauspreises gerechnet werden. Bei besonders nachhaltiger Bauweise oder überwiegendem Bezug aus erneuerbaren Energien waren sogar 17 Prozent, jedoch maximal 26.250 Euro möglich.
Anpassung der Energiestandards für Gebäude
Nach Altmaiers Ankündigung im November 2021 entstand ein Antragsvolumen von 20 Milliarden Euro, davon entfielen circa 14 Milliarden Euro alleine auf Anträge für KfW-Förderung eines Neubau EH 55. Eine Summe, die durch die bereitgestellten Fördermittel schlicht nicht mehr zu decken ist. Dadurch wird jedoch auch deutlich, dass der Energiestandard des EH 55 vergleichsweise leicht zu erreichen ist.
Für den strengeren Energiestandard EH 40 liegt laut Bundeswirtschaftsministerium ein Antragsvolumen von etwa 4 Milliarden Euro vor – ein Beweis dafür, dass auch dieser Standard einfach umzusetzen sei. Demnach ist die Anpassung der Energieeffizienzstandards dringend notwendig und längst überfällig.
Die neue Bundesregierung plant laut Energiestaatssekretär Patrick Graichen die KfW-Förderung dahingehend zu reformieren, um eine zielgerechtere CO2-Einsparung zu erreichen – dies ist vor allen Dingen über energetische Sanierung von Bestandsgebäuden möglich. Damit würde auch der im Koalitionsvertrag vereinbarten Reform des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) Rechnung getragen. Sie sieht vor, die Förderung in Zukunft unmittelbar an den eingesparten Treibhausgas-Ausstoß pro Quadratmeter anzuknüpfen, so Graichen.
Reaktionen auf Förderstopp
Der sofortige Förderstopp zog breit gefächerte Reaktionen nach sich. So schätzt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnwirtschaft (GdW), die Entscheidung als eine “Katastrophe (ein) für alle, die sich für günstigen und nachhaltigen Wohnraum engagieren.” Und weiter konstatiert er: “Dieser Schritt ist genau das Gegenteil und Gift für das Entstehen und den Erhalt von bezahlbaren Wohnungen”. Laut Gedaschko stünden unzählige bereits beantragte Neubauvorhaben sowie energetische Sanierungen im Bestandsbau unmittelbar vor dem Aus. Nach Schätzungen des Verbandes betrifft Habecks Beschluss rund 80.000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau und circa 300.000 Wohnungen insgesamt in ganz Deutschland, die trotz bereits fortgeschrittener oder abgeschlossener Planungsphase nicht gebaut würden.
Energiestaatssekretär Graichen sucht die Schuld bei anderen: “In den vergangenen Jahren wurde es versäumt, die Förderkulisse und die gesetzlichen Neubaustandards anzupassen. Stattdessen wurde eine veraltete Förderung fortgeschrieben, die falsche Anreize setzt” und versucht sich in Empathie: “Der Antragstopp ist für die betroffenen Antragsteller eine traurige und enttäuschende Nachricht”. Eine Aussage, die angesichts der Befeuerung der Wohnungsnot in vielen deutschen Großstädten durch den Antragsstopp und den damit einhergehenden Wegfall der Finanzierungsgrundlage die betroffenen Bauherren und Bauherrinnen kaum trösten dürfte.
Bereits gestellte Anträge und Ausblick
Bauherren/Bauherrinnen bereits gestellter, aber noch nicht bewilligter Anträge können noch etwas hoffen: dem Wirtschaftsministerium zufolge wird ggf. eine Härtefallregelung greifen. Ein Kredit würde dann gewährt werden, wenn aufgrund der ausgesetzten KfW-Fördermittel die gesamte Finanzierung des Bauvorhabens in sich zusammenfiele. Hierbei bleibt jedoch die Frage offen, wie die Voraussetzungen für diesen Kredit genau aussehen und in welchem zeitlichen Rahmen dieser zur Verfügung stünde. Keine unerheblichen Punkte für eine auf Planungssicherheit angewiesene Baubranche.
Die Förderung für energetische Sanierungsmaßnahmen beabsichtigt Habeck in Zukunft wieder aufzunehmen, da darin das größte CO2-Einsparpotential liegt. Jedoch bleibt der exakte Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der KfW-Förderung für solche Bauvorhaben vage, da dies erst dann umgesetzt werden könne, wenn wieder entsprechende Bundeshaushaltsmittel zur Verfügung stünden.
Über die erneute Förderung von Neubauprojekten des Energiestandards EH 40 soll auch zeitnah entschieden werden, da zunächst die verfügbaren Mittel des Energie- und Klimafonds sowie der Bedarf anderer Förderprogramme überprüft werden müsse.
Insgesamt also eine Situation, die mehr als nur Geduld von sämtlichen Baubeteiligten abverlangt. Aber nicht nur das: Auch das ambitionierte Ziel des Bundes zur Treibhausgasneutralität bis 2045 kann durch Aussetzen der KfW-Förderung keinesfalls mehr erreicht werden. Ebenso würden bei Umsetzung des Gesetzesvorschlags zur Klimaneutralität bis 2030 seitens der EU-Kommission dringend notwendige Mittel für die deutsche Baubranche fehlen.
Nachtrag vom 02.02.2022
Gute Nachrichten für Bauherren und Bauherrinnen, die einen KfW-Antrag für oben genannte Bauvorhaben vor dem 24.01.2022 eingereicht haben. Laut einer Konferenz vom 01.02.2022 einigten sich die Minister darauf, solche Anträge noch nach den vorher geltenden Kriterien zu bearbeiten. Fördermittel-Anträge die nach diesem Stichtag erfolgten, gehen dagegen leer aus. Habeck gesteht ein, mit dem plötzlichen Förderstopp “Unmut und Enttäuschung und Zorn ausgelöst” zu haben. Entsprechend versucht er, mit der Ankündigung circa fünf Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds des Bundes zur Verfügung zu stellen, die Wogen zu glätten.
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