Carbonbeton revolutioniert das Bauwesen

Spätestens seit dem teilweisen Einsturz der Dresdner Carolabrücke im September 2024 hat die Wahrnehmung von Beton als massiver und langlebiger Baustoff deutlich gelitten. Die eindrücklichen Bilder einer Stahlbetonbrücke, die wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen in der Elbe liegt, haben generell die Frage aufgeworfen: Wie kann ein derart festes Material, wie Stahlbeton, so einfach versagen? Fachpersonen äußerten früh den Anfangsverdacht, dass Korrosion im Stahlbeton ursächlich für den Brückeneinsturz gewesen ist, was sich im Nachgang auch bestätigte. Doch warum ist Korrosion für die Trag- und Standfestigkeit von Stahlbeton so gefährlich? Und welche Alternative gibt es zu Stahl als Bewehrung im Beton? Wir werfen einen Blick auf die innovative Alternative Carbonbeton, erläutern seine Eigenschaften, stellen die Vor- und Nachteile gegenüber und geben einen generellen Überblick zu dieser Baustoff-Option.

Vergleich Stahl- und Carbonstab sowie Textilbeton.
Bild: Copyright Filmaton.tv über C3 Carbon Concrete Composite

Materialeigenschaften

Der Baustoff Carbonbeton (auch in der Schreibweise Karbonbeton möglich) ist in erster Linie, wie der traditionelle Stahlbeton, ein Verbundwerkstoff. Er gilt als solcher, da Carbonbeton aus den zwei Bestandteilen Beton und einer Bewehrung aus Kohlenstofffasern besteht. Mit Bewehrung ist eine strukturelle Verstärkung des Baumaterials Beton gemeint, die in Form von Matten und Stäben ausgeführt wird. Anders als bei Stahlbeton, bei dem die Bewehrung – wie der Name schon sagt – aus Stahl besteht, sind die Bewehrungsmatten oder -stäbe bei Carbonbeton aus sogenannten Filamenten oder auch Carbonendlosfasern, also nichtmetallischem Stoff.

Und genau in diesem Carbonstoff liegt das Besondere, weswegen dieser Stoff fast schon einen Quantensprung für das Bauwesen bedeutet. Diese Art von Carbonbewehrungsmaterial weist eine sechsfach höhere Zugfestigkeit als konventionelle Bewehrung aus Stahl auf. Das wiederum hat den nachhaltigen Nebeneffekt, dass nicht nur wesentlich weniger Mengen Carbonbewehrung benötigt wird, sondern auch ein Vielfaches weniger an Beton als schützende Schicht für die Bewehrung eingesetzt werden muss, als bei vergleichbaren Bauobjekten mit Stahlbewehrung. Zusätzlich ist Carbon dahingehend vorteilhaft, da chemisch gesehen dieser Stoff inert ist. Dieses Adjektiv bedeutet, dass es ein träges Material ist, welches kaum chemische Reaktionen eingeht, wie es beispielsweise bei einer Korrosion passiert. Deswegen hält es bautechnischer Beanspruchung deutlich besser stand als Stahlbewehrung.

Unterschied zwischen Carbon- und Textilbeton

Im Kontext des Begriffes Carbonbeton taucht oft der Begriff Textilbeton auf. Hierbei gilt es jedoch, genau zu unterscheiden. Wie bereits erwähnt, kann die Bewehrung bei Carbonbeton mattenartig oder stabförmig ausgeführt werden. Bei dieser Art Beton wird allerdings keinesfalls alkaliresistentes Basalt, Glas o. Ä. eingesetzt. Wohingegen beim Textilbeton ausschließlich mattenförmige Bewehrung zum Einsatz kommt, die im Gegenzug jedoch aus alkaliresistenten Stoffen hergestellt werden. Die Bezeichnung Textilbeton rührt vom Herstellungsprozess her, bei dem die Mattenbewehrung auch als Textil benannt wird.

Nachaufnahme von mattenförmiger und stabartiger Carbonbewehrung.
Bild: Copyright Sandra Kranich über C3 Carbon Concrete Composite

Anwendungsbereiche

Die Anwendungsbereiche für Carbonbeton sind vielzählig. Im Vergleich zu konventionellem Stahlbeton eröffnet das Baumaterial weitere Anwendungsbereiche aufgrund seiner positiven Materialeigenschaften.

• Einsatz in der Altbausanierung

• Verwendung für Fassadenelemente

• Anwendung im Brückenbau

• Einsatz in Hochhäusern zur Gewichtsreduktion

• Nutzung im Tunnelbau

• Verwendung für auskragende Bauelemente wie Balkone

• Verwendung für diagonale Bauelemente wie Treppen

• Verwendung in der Denkmalpflege

• Einsatz im Straßenbau

• Nutzung im Fertigbau

Vor- und Nachteile

Wie bei jedem Baustoff gibt es verschiedene Vor- und Nachteile, die dem Material zugeschrieben werden können. Im Folgenden sind Vor- und Nachteile aufgelistet:

Vorteile

• Der Baustoff Carbonbeton besticht durch extreme Langlebigkeit und ist wesentlich korrosionsbeständiger.

• Grundsätzlich ist dieses Baumaterial weniger anfällig gegenüber bautechnischen Beanspruchungen und gegenüber Umwelteinflüssen.

• Im Vergleich zum herkömmlichen Stahlbeton ist Carbonbeton leichter, wodurch die Kosten für Transport und Bau niedriger ausfallen.

• Mit dem Baustoff lassen sich filigrane, schlankere, aber auch komplexere Baukonstruktionen umsetzen, da das Material eine hohe Festigkeit aufweist.

• Der Formgebung von Bauwerken sind durch die höhere Flexibilität weniger Grenzen gesetzt als im Vergleich zu Stahlbeton.

• Carbonbeton ist nachhaltig, da er eine längere Lebensdauer hat und weniger Ressourcen verbraucht.

Nachteile

• Für Carbonbeton fallen höhere Herstellungskosten an, gegenüber traditionellen Baumaterialien.

• Da der Baustoff noch neu ist, gibt es bislang nur begrenzte Erfahrungen und normative Regelungen im Umgang damit.

• Auch die Entsorgung von Carbonfasern am Lebensende eines Bauwerks stellt aufgrund der fehlenden Erfahrung und aufgrund des neuen Stoffverbundes eine Herausforderung dar.

• Nicht viele Bauunternehmen sind bisher in den Verarbeitungstechniken dieses Baustoffes firm, da Fachpersonen eine spezielle Schulung dafür benötigen.

• Für die Instandsetzung und Reparatur von Carbonbeton sind spezielle Kenntnisse und Techniken erforderlich.

Herstellungsverfahren

Es gibt mehrere Verfahren für die Cabonbetonherstellung: Gieß- oder Laminierverfahren oder durch Schleudern und Drucken. Das Gießverfahren ist auch das gängige Verfahren bei der Herstellung von Stahlbeton. Hierbei wird mit einer sogenannten Schalung gearbeitet, also einer Hohlform. In diese Hohlform wird Bewehrung eingelassen und anschließend wird die Schalung in einem Arbeitsschritt mit Beton gefüllt.

Feinbeton mit Carbonmatte. Bild: Copyright Jörg Singer über C3 Carbon Concrete Composite

Das Laminierverfahren funktioniert in mehreren Arbeitsschritten. Hierbei wird zunächst eine erste dünne Schicht Feinbeton aufgebracht, beispielsweise in einer Schalung. Bereits in diese Schicht wird eine erste Lage Mattenbewehrung gelegt. Diese Vorgehensweise wird anschließend so oft wiederholt, bis die benötigte Anzahl der Lagen erfüllt und zum Abschluss mit einer letzten Feinbetonschicht die gewünschte Betondicke erreicht wird. Das Laminierverfahren findet auch im Bauen im Bestand statt, um bestehende Bauobjekte zu sanieren oder zu verstärken. Dabei wird die erste Feinbetonlage direkt auf die Oberfläche des Objektes aufgebracht und im Folgenden die weiteren Lagen.

Mehrere Schichten Carbonbeton. Bild: Copyright Ulrich van Stipriaan über C3 Carbon Concrete Composite

Das Schleudern ist ein Verfahren, das auch beim Stahlbeton angewendet wird. Der Unterschied zum Gießverfahren liegt jedoch darin, dass es sich um eine zylindrische Schalung handelt, in deren Hohlraum die Bewehrung angebracht wird. Der Beton wird anschließend hineingeschleudert. Das Drucken ist ein Verfahren, wie es aus dem 3D-Drucker-Bereich bekannt ist. Dabei wird in vielen einzelnen Lagen Beton in die Form auf ein Fundament gedruckt, das vorher in den Drucker programmiert wurde. Es handelt sich um ein Verfahren, das sich auch noch in der Entwicklung findet, insbesondere deswegen, weil die Carbonfasern beim Druckvorgang eingebracht werden müssen.

Forschung & erstes Projekt

Die Relevanz dieses Baustoffes liegt deutlich auf der Hand. Angesichts dessen wird mit dem Material mittlerweile umfangreich geforscht und praktisch erprobt. Hervorzuheben ist das C3 – Carbon Concrete Composite Forschungsprojekt der Technischen Universität Dresden, das 2016 den Deutschen Zukunftspreis für die Forschung zum Carbonbeton erhielt.

Auf Grundlage der Forschungserkenntnisse wurde 2017 in Dresden mit dem Bau des weltweit ersten Gebäudes aus dem nichtmetallisch bewehrten Beton begonnen, dem CUBE. Vornehmlich an den zwei doppelt gekrümmten Außenschalen, die sowohl als Wand als auch als Dach dienen, zeigen sich die weitreichenden Möglichkeiten des speziellen Baustoffes gegenüber herkömmlichem Stahlbeton. Zusätzlich wurden in den Decken und Wänden Messsensoren eingebaut, die seit der Fertigstellung vom CUBE im Jahr 2022 zehn Jahre lang Daten liefern sollen, wie Innen- und Außenklima sich auf das Material auswirken.

Der ARD-Beitrag “Carbonbeton aus Dresden soll Bauen revolutionieren” thematisiert dieses ungewöhnliche Ergebnishaus des C3-Projekts und zeigt das CUBE in seiner Entstehungsphase.

Fazit & Ausblick

Es gibt eine ganze Menge guter Gründe, mehr auf Carbonbeton als auf Stahlbeton zu setzen. Nur leider lässt sich festhalten, dass die Nutzung dieses Materials – gleichgültig, ob im öffentlichen oder im privaten Bausektor – bei weitem bislang nicht so verbreitet ist, wie sie sein könnte und sollte. Obschon viele Architekten/Architektinnen und Ingenieure/Ingenieurinnen die vorteilhaften Materialeigenschaften durchaus zu schätzen wissen und sie für besonders ausgefallene Gebäudedesigns oder Baukonstruktionen effektiv einsetzen könnten, so fehlt letztlich noch die Erfahrung und oftmals die notwendige Kenntnis in der Praxis. Dennoch hat Carbonbeton das Potenzial, langfristig Stahlbeton zu verdrängen und ggf. auch zu ersetzen, da es der nachhaltigere Baustoff ist. Denn: Ressourcenschonende Baumaterialien und Nachhaltigkeit sind und bleiben ungebrochene Trends in der Baubranche, die auch weiter an Bedeutung zunehmen werden.

NPF

Nathalie Pfeiffer ist Bautischlerin und Bauingenieurin. Nach über 18 Jahren Arbeitserfahrung in diesen Berufen hat sie Hammer und Bauhelm gegen die Tastatur eingetauscht, um als Fachjournalistin über architektonische, bautechnische und handwerkliche Themen zu schreiben. 

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