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Bundesverwaltungsgericht urteilt zum Vorkaufsrecht

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 9.11.21 nach der Klage einer Immobiliengesellschaft das gemeindliche Vorkaufsrecht für Immobilien aufgehoben. Laut Pressemitteilung des BVerwG geht es bei diesem Urteil insbesondere um solche Grundstücke und Gebäude, die sich in einem sogenannten Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung befinden. Dies bedeutet solche Bereiche, deren Milieuschutz festgesetzt wurde. Dabei handelt es sich um solche Bereiche, in denen ein Milieuschutz festgesetzt wurde. Bislang konnte die Gemeinde vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen, wenn die Vermutung nahe lag, dass ein Käufer zukünftig Nutzungsabsichten verfolgt, die nicht satzungskonform sind. 

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Blick auf das Bundesverwaltungsgericht. Bild: Copyright Pixabay 

Auswirkung des Urteils auf Länderebene

Obwohl es bei dieser Klage um einen spezifischen Einzelfall in Berlin geht, hat dieses Urteil weitreichende Auswirkungen, da höchstrichterliche Rechtsprechung von der Verwaltung auf Länderebene weder ignoriert noch übergangen werden kann. Viele Gemeinden übten das Vorkaufsrecht aus, wenn eine Immobiliengesellschaft ein Mehrfamilienhaus in einem günstigen Viertel erwerben wollte, um es zu sanieren und anschließend mutmaßlich teuer zu vermieten oder zu verkaufen. Dem konnten die Gemeinden entgegenwirken, indem sie ankündigten das Vorkaufsrecht anwenden zu wollen. Damit hatten die Gemeinden ein Druckmittel gegenüber Immobiliengesellschaften in der Hand, um sie zur Unterzeichnung sogenannter Abwendungserklärungen zu bewegen. Mit der Abwendungserklärung konnte der Erhalt des Mietspiegels und eine mögliche Verdrängung der bestehenden Mieter durch Verkauf der einzelnen Wohnungen verhindert werden. 

Milieuschutz

Das Urteil bezieht sich eindeutig auf Grundstücke und Immobilien, die sich im Geltungsbereich einer spezifischen Verordnung befinden. Im Detail dient die Verordnung “dem Schutz der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen” – dem sogenannten Milieuschutz. In nahezu jeder Großstadt Deutschlands geht diese Thematik mit dem Problem der Gentrifizierung einher. Alteingesessene Bewohner:innen können nach Veräußerung, Sanierung und Mietpreisanhebung oder Umwandlung in Eigentumswohnungen ihre Wohnungen nicht mehr halten und werden zugunsten zahlungskräftiger Mieter:innen oder Käufer:innen in andere Viertel verdrängt. Daher hatte der Gesetzgeber ganz klar anerkannt, dass es Gebiete gibt, deren Strukturen erhaltungswürdig sind und entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen. 

Was bedeutet das Urteil für ähnliche Fälle?

Wie bereits beschrieben, wirkt sich dieses Urteil auch auf andere Bundesländer aus, die ähnlich verfahren sind wie Berlin und Gebrauch vom Vorkaufsrecht gemacht haben. Konkret bedeutet dies für laufende Projekte, in denen sich Immobiliengesellschaften oder Investorenim Kaufprozess befinden, dass keine Intervention seitens der Gemeinde mehr erfolgen kann. Bereits abgeschlossene Veräußerungen werden jedoch aller Voraussicht nach nicht rückabgewickelt werden müssen. Ausnahme bilden solche Verkäufe, bei denen der Käufer/die Käuferin Widerspruch geäußert hat und es dennoch zur Ausübung des Vorkaufsrechts oder zur Unterzeichnung der Abwendungserklärung kam.  

Bereits jetzt laufen Mieterverbände oder –vereine und die Partei Die Linke gegen das Urteil Sturm, da ein hochgradig wirksames Mittel gegen die Gentrifizierung nun außer Kraft gesetzt ist. Weitere Instrumente für den Milieuschutz, wie beispielweise die Mietpreisbremse, die soziale Erhaltungsverordnung oder die Umwandlungsverordnung gelten zwar auch weiterhin, jedoch erweisen sie sich aber bislang nicht als so effizient wie der Joker des Vorkaufsrechts. 

Nicht nur der amtierende Berliner Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel wünscht sich vom Bund eine rasche Nachjustierung der Bundesgesetzordnung. Auch landesweit sehen viele Politiker:innen und Verbände nun die SPD und Grüne in der Pflicht ihr Wahlkampfversprechen – dem Schutz von Mietern:innen – einzuhalten und fordern die Thematik in die Koalitionsverhandlungen mit aufzunehmen. Dem gegenüber steht die Fraktionsvorsitzende FDP Hamburg Altona Katarina Blume, nach deren Auffassung die alleinige Annahme über eine zukünftige erhaltungswidrige Nutzung einer Immobilie keine Grundlage bilden darf eine “faktische Enteignung” in die Wege zu leiten. 

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